
Am 14.11.2017 hat in der Leerstandsfläche Küterstraße 1-3 die Veranstaltung „Sorgenkind Innenstadt“ im Rahmen des FDP-Formats „FDP Kiel vor Ort im Gespräch“ stattgefunden. Rund 45 Besucher diskutierten mit 6 Fachleuten rege über das teilweise sehr emotional besetzte Thema Innen-/Altstadt in Kiel.
Dr. Ingmar Soll, Kreisvorsitzender der FDP Kiel, moderierte die Veranstaltung an und stellte die eingeladenen Experten vor. Um ins Gespräch zu kommen, stellte er zwei Thesen in den Raum, mit der Frage, ob das die Qualität der Kieler Innenstadt erhöhen würde: Steigern wir doch die Attraktivität für unsere (Kreuzfahrt-/Tourismus) -Gäste und uns Kielerinnen und Kieler durch eine Ansammlung von regionalen Anbietern, die die Altstadt/Innenstadt aus der Austauschbarkeit herausholt!
Und vom Schiff über die regionale Einkaufs-App in die Geschäfte! Mehr als Kiel Guide, Kiel App und Walk & Explore! Über Onlineangebote Besucher offline in die Innenstadt locken.
Für die fachlichen Blickwinkel auf die verschiedensten Herausforderungen waren geladen:
Mitgründer von bummelbu.de, Daniel Faulhaber. Er berichtete, welche positiven Auswirkungen es auf die Vielfalt in der Innenstadt haben kann, wenn Einzelhändler, Innenstadt-Marketing und Politik zusammenarbeiten und Gründern wie ihm und seinen Geschäftspartnern ermöglichen, ein Online-Konzept für Kiel auch offline in die Innenstadt zu bringen.
Das Fördefräulein, Finja Schulze, unterstützt den Ansatz Faulhabers; Sie können aus Ihrer Arbeit als Bloggerin, in dem sie v.a. Konzepte aus und für Kiel vorstellt bestätigen, dass die Nachfrage und Begeisterung für Kieler Produkte und kleine Inhabergeführte Lokalitäten riesig ist.
Innenstadtmanagerin Janine Streu von Kiel Marketing startete mit einem emotionalen Eingangsstatement für Kiel: Sie als gebürtige Kielerin habe schon immer lieber die positiven Aspekte Kiels herausgestellt, als immer nur auf dem negativen herumzureiten. Und lange habe sie die Kieler Innenstadt noch verteidigt, nachdem viele sie schon aufgegeben haben. Außerdem, so Streu, könne man gerne auch mal lobend erwähnen, dass die Stadt Kiel immerhin schon einmal die Problematiken in der Kieler Innenstadt erkannt und ihre Stelle geschaffen habe. Dieses Entgegenkommen seitens der Politik gäbe es auch nicht überall, weiß Streu zu berichten. Ihr liegt es am Herzen, potentielle Mieter und Eigentümer zusammenzubringen und hierbei auch mal neue Konzepte zu fördern. Des Weiteren konstatiert sie „Die Innenstadt ist nicht mehr wie vor 20 Jahren, die [Miet-]Preise müssen erstmal sinken“.
Hier setzt auch Tim Staub, Prokurist und Gesellschafter der Laren Consulting Real Estate GmbH, an. Realistisch seien 50% günstigere Mieten im Vergleich zu vor 10-15 Jahren, dies lohne sich für viele Großinvestoren aber nicht. Und da die Leerstände sich in den großen Fonds der oftmals Londoner, Frankfurter oder Hamburger Besitzer, in denen auch viele Kieler Gewerbeimmobilien liegen, nicht sonderlich bemerkbar machten, seien hier Verhandlungen mit den Eigentümern oft sehr schwierig. Höchstens zehn Prozent der Gewerbeimmobilienbesitzer, so schätzt Staub, lebten überhaupt in Kiel.
Christina Musculus-Stahnke, Rechtsanwältin und Vorsitzende der FDP-Ratsfraktion betonte in Ihrem Beitrag das, was alle ihre Vorredner auch schon festgestellt haben: „Kiel entfaltet seinen Charme auf den 2. Blick.“ Das sei nicht zuletzt den vielen Bausünden geschuldet, die Kiel als Stadt nach der Zerstörung im zweiten Weltkrieg angetan wurden. Mit all den anstehenden Baumaßnahmen, die für die nächsten Jahre geplant sind oder bereits begonnen haben, habe man jetzt „eine historische Chance, die Innenstadt neu zu gestalten“, so Musculus-Stahnke. Hierfür müsse aber endlich einmal in einem ganzheitlichen Konzept für die Innenstadt gedacht werden, als immer nur Flickwerk zu produzieren.
Gastronom Maik Ehlers, Restaurant Cup&Cino und Pantiamo, plädiert – wie schon zuvor Daniel Faulhaber, für eine engere Zusammenarbeit aller Beteiligter.
Besonders zwei Aspekte wurden immer wieder als besonders problematisch herausgestellt: Die schlechte Aufenthaltsqualität in der Innenstadt und das „wegkarren“ der vielen Kreuzfahrt- und Fährgäste, die direkt in der Innenstadt ankommen, dort aber im seltensten Fall ihr Geld ausgeben. Besucherin Rike Offt, Reisevehrkehrskauffrau und ehemalige Mitarbeiterin eines großen Kreuzfahrtdienstleisters und Terminalbetreibers in Kiel wusste zu berichten, dass eines der großen Problem sei, dass die Kreuzfahrer Kiel gar nicht kennen. Für die zahlreichen Besucher sei Kiel häufig ein reiner Transithafen oder „der Hafen von Hamburg“, so Offt. Einig waren sich mit ihr alle Diskutanten, Kiel muss auch im Ausland für seine potentiellen Besucher besser verkauft werden.
Für eine verbesserte Aufenthaltsqualität müsste an vielen verschiedenen Stellschrauben gedreht werden. Zum einen müsse sich die Diversität des Einkaufsangebots verbessern. Zum anderen muss die Kieler Innenstadt aber auch einfach mehr zum Verweilen und zum Bummeln einladen, so Musculus-Stahnke. Dazu gäbe es verschiedene Überlegungen, wie zum Beispiel der größtenteils verbaute Blick aufs Wasser punktuell freigelegt werden könne. Am wichtigsten aber sei es, dass es seitens der Politik endlich einen Gesamtplan geben müsse, damit potentielle Interessenten wüssten, wie die Stadt bebaut werden soll und ein nutzbares aber eben auch schönes Gesamtbild entstünde.
An diesem Abend wurde viel, zum Teil sehr kontrovers und emotional diskutiert aber in einem waren sich alle einig: Kiel ist eine attraktive Stadt mit hoher Lebensqualität. Schön wäre nur, wenn nicht jeder das erst auf den zweiten Blick erkennen könnte.